Hattest du jemals eine Diskussion zur Frauenquote? Ich schon. Meine erste noch während der Schulzeit im Politikunterricht. Mit damaligem, unerschütterlichem Selbstbewusstsein - und zurückblickend mit einer großen Portion Naivität - war ich gegen eine Quote. Warum sollte ich nicht auch so eine gute Position ergattern? Für mich war das keine Frage des Geschlechts, sondern eine der Leistung. Im Laufe der Zeit hat sich meine Einstellung geändert.
Der Grundtenor, dass Mädchen in der Schule bevorzugt werden, existiert nach wie vor. Im Berufsleben sieht die Realität definitiv anders aus, wie Gender Gaps ausreichend darlegen.1 Eine ehemalige Kollegin sagte mal so schön: „Dort zieht Hans Hänschen.“ Und kein Wunder, denn das ist sogar wissenschaftlich begründbar: Wir bevorzugen bei Einstellungen und Beförderungen Menschen, die uns ähnlich sind. Diesen Bias nennt man auch den Mini-Me-Effekt.2 Nun müsste man meinen, dass Marie doch zumindest einfach Mariechen zieht. Doch gibt es einfach zu wenige Maries im Vergleich zu Hans. Denn wie die Forschung zeigt, verfügen Frauen meist über zu wenige „Alpha-Mitglieder“, also Frauen in Führungspositionen, welche andere Netzwerkmitglieder nach oben ziehen können.3 Oder sie konkurrieren als wenige Frauen auch noch miteinander. Wenn sich nun die Frage stellt, ob Mariechens Name bei der Beförderung fällt oder Hänschen durch Hans vorgeschlagen wird, ist die Antwort mit Blick auf die Geschlechterverteilung in Vorstands- und Führungsebenen eindeutig.
So sieht es auch in der Finanzbranche aus. Obwohl bei Gesamtbetrachtung der Belegschaft das Geschlechterverhältnis ausgewogen ist, sitzen nur 5,1% Frauen in deutschen Bankenvorständen.4 Über Führungsebenen hinweg beträgt der Frauenanteil immerhin 25%.4 Wenig verwunderlich finden sich auch hier wie in anderen Branchen Gender Gaps (z.B. Pay Gap, Employment Cap, Time Cap) wieder. Die Besonderheit? Die hieraus resultierende Financial Service Gender Gap.7 Durch mangelnde Diversität – und wir sprechen hier gerade einmal von Geschlechterdivsersität und noch nicht von anderen Attributen –, besonders auf Entscheidungsebene, entwickeln und vermarkten Männer Finanzprodukte und -services für Männer. Bedürfnisse von Frauen werden nur unzureichend berücksichtigt. Das führt letztlich dazu, dass Frauen sich von den Angeboten nicht angesprochen fühlen und diese teilweise nicht in Anspruch nehmen. Das bestärkt wiederum weitere finanzielle Gaps wie den Gender Investment Gap, Wealth Gap oder Pension Gap. In Zahlen übersetzt, bedeuten diese Gaps: Weniger Frauen legen ihr Geld überhaupt am Kapitalmarkt an. Investieren sie, dann 29%5 weniger Geld als Männer. Deutsche Frauen besitzen 24%6 weniger Vermögen und im Rentenalter haben sie sogar 49%7 weniger Geld zur Verfügung als Männer. Diese Unterschiede müssen angegangen werden. Denn Gleichberechtigung braucht vor allem auch eine ökonomische, finanzielle Gleichberechtigung. Dazu muss die Finanzbranche ihre eigenen Gender Gaps schließen – durch gleiche Bezahlung und mehr Frauen in Führungspositionen – sowie auch die Gaps ihrer Kundinnen angehen, eben durch Finanzprodukte und - services, die Bedürfnisse von Frauen adressieren.
Aber reicht es, wenn wir einfach ein paar mehr Frauen in die Entscheidungsebenen bekommen?
Wie die US-amerikanische Youtuberin Lilly Singh in ihrem TED-Talk8 erklärte: Frauen sind konditioniert, einen „seat at the table“ bekommen zu wollen. Aber ein Platz am Managementtisch allein reicht nicht, um etwas zu verändern. Denn dort herrschen meist noch dieselben Spielregeln. Warum können wir also nicht einfach bessere Tische bauen? An denen man sich wohlfühlt und gehört wird? Die Komikerin hat hierzu für ihren TED- Talk ein einfaches Ikea-Manual formuliert. Das sollten wir nutzen!
An diesen besseren Tischen können dann auch letztlich die Entscheidungen getroffen werden, von denen alle Zielgruppen profitieren. Denn wir machen Finanzen diverser.
Nun stellt sich die Frage: Brauchen Frauen wirklich andere Finanzprodukte? Brauchen verschiedene Zielgruppen unterschiedliche Finanzangebote?
Die Antwort lautet „Jein“. Nicht jedes Produkt muss neu gedacht werden, auch die Ansprache, Informationsaufbereitung und Produkthinführung spielen eine entscheidende Rolle. Insgesamt müssen wir in Produktentwicklung und -vermarktung mehr Bedürfnisse, Ziele und Lebensrealitäten einbeziehen. Denn Kund:innen suchen überall nach Individualität, nach Angeboten, die zu ihnen passen. Und wenn eines individuell ist, dann sind es Finanzen.
Daher wollen wir bei moneten bessere Tische bauen – sowohl für Geschlechterparität und Diversität in der Finanzbranche als auch für individuellere, bedürfnisorientierte Finanzprodukte und -services!
*Der Begriff Frau(en) umfasst in diesem Artikel alle weiblich gelesenen Personen.
Quellen:
1. Bundeszentrale für politische Bildung (2021): Bildungsungleichheiten zwischen den Geschlechtern.
2. Voß, E. (2014): Unconscious Bias im Recruiting – Wie sich vor allem bei Personalprozessen die Stereotypenfalle umgehen lässt
3. Zeit Online (2017): Klüngeln für die Karriere
4. Sparkassen Innovation Hub (2021): Female Finance – Frauen in der Finanzwelt. Gender Gaps und nicht erkannte Bedürfnisse
5. N26 (o.J.): Women and investing: Closing the gender gap
6. WTW & WEF (2022): 2022 Global Gender Wealth Equity Report
7. WSI (2019): Gender Pension Gap bei eigenen Alterssicherungsleistungen 1992-2019
8. Ted Talk (2021): Lily Singh – „A seat at the table“ isn’t the solution for gender equity